Zwei kürzlich beschlossene Gesetzentwürfe der Bundesregierung sollen zum einen die Hürden für die Einwanderung von qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten senken. Gleichzeitig sollen geduldete Migranten, die einen Arbeitsplatz haben, besser gestellt werden. Über einen so genannten „Spurwechsel“ ist man sich in Regierungskreisen hinter vorgehaltener Hand längst einig.
Die „Wirtschaft“ sehnt Erleichterungen beim Zuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland herbei. Laut den deutschen Wirtschaftsverbänden fehlen der deutschen Wirtschaft qualifizierte Arbeitskräfte, besonders im Mittelstand.
Der erste Gesetzentwurf, das Fachkräftezuwanderungsgesetz, soll den Zuzug von Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten erleichtern, um den vermeintlichen Fachkräftemangel in Deutschland abzumildern. Wegfallen soll die Vorrangprüfung, mit der bislang ermittelt wird, ob es geeignete Bewerber aus Deutschland oder der EU gibt.
Bereits 2012 gab es eine Kampagne für mehr Fachkräfte durch die Bundesagentur für Arbeit.
Die viel gerühmten „Ärzte und Ingenieure“ aus Syrien, dem Irak und Afghanistan sind im September 2015 in großer Zahl eingetroffen. Und Monat für Monat werden es mehr. Der „Fachkräftemangel“ müsste allein schon dadurch längst behoben sein, wenn es ihn je gegeben hätte.
Die altbekannte Mär vom Fachkräftemangel lässt sich am einfachsten dadurch widerlegen, dass ein tatsächlicher Mangel schon längst zu steigenden Löhnen geführt hätte. Angebot und Nachfrage regeln bekanntlich die Preise. Die geringen Lohnsteigerungen der letzten Jahre deuten nicht gerade auf einen Mangel hin. Seit dem ersten Quartal 2016 ist die Reallohnentwicklung sogar spürbar zurückgegangen. Die Inflation zehrt Lohnzuwächse auf.
Rund 2,2 Millionen Menschen sind nach offiziellen Angaben der Bundesagentur zurzeit arbeitslos, rund 3,1 Millionen sind unterbeschäftigt, also Aufstocker. Diese Zahlen sind bekanntlich geschönt. Arbeitslose in Fortbildungsmaßnahmen sind nicht eingerechnet. Ein Millionenheer steht für Weiterqualifizierung bereit.
Laut der Bundesagentur stammt seit einem Jahr die Mehrheit der Zuwanderer nach Deutschland wieder aus der EU. Sie beruft sich auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung. Weil die EU-Zuwanderer oft gut ausgebildet seien, glichen sie zunehmend den hiesigen Fachkräftemangel aus. Wieso braucht man dann jetzt plötzlich Arbeitskräfte aus dem Nicht-EU-Ausland, fragt sich der mündige Bürger.
Der schon seit Jahren behauptete Fachkräftemangel dient ganz offensichtlich dem Ziel, den Anstieg der Arbeitskosten im deutschen Niedriglohnsektor zu dämpfen. Mit einer wachsenden Reservearmee an Arbeitskräften lässt sich leicht Lohnforderungen entgegensteuern. Der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 9,19 Euro brutto pro Stunde liegt beim Existenzminimum. Daraus ergibt sich ein Monatslohn von knapp 1.500 Euro brutto.
Anspruch auf eine Aufstockung durch Hartz IV hat, wer im Monat weniger als 1.200 Euro brutto verdient. Die Aufstockungsschwelle erhöht sich bis zu einem Einkommen von unter 1.500, wenn der Betroffene mindestens für ein Kind sorgt. Die Aufstockungsleistungen tragen die Steuerzahler.
„Die deutsche Gesellschaft wird älter, die Geburtenrate sinkt – und damit schrumpft das Potenzial verfügbarer Arbeitskräfte. Die Gruppe der nach Deutschland Geflüchteten mit Bleibeperspektive stellt hier … ein wichtiges und interessantes Arbeitskräftepotenzial dar. Denn rund zwei Drittel der zurzeit in Deutschland lebenden Flüchtlinge sind im erwerbsfähigen Alter und bringen darüber hinaus oft gute Qualifikationen mit. Die beschäftigungsrechtlichen Bedingungen haben sich für Geflüchtete in den letzten Monaten deutlich verbessert.“
Nachzulesen sind diese Aussagen in der Charta der Vielfalt unter dem Titel Vielfalt als Ressource – Willkommenskultur und der Einsatz von Vielfalt in Unternehmen und Chancen und Nutzen der Beschäftigung von Flüchtlingen.
Die Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte in ihrem Bericht Arbeitsmarkt kompakt unter dem Titel Fluchtmigration die folgenden Zahlen: „Im August 2018 waren im SGB II 4,10 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter leistungsberechtigt – darunter 609.000 Schutzberechtigte. Im November 2018 wurden 177.000 geflüchtete Menschen als arbeitslos bei einer Agentur für Arbeit oder einem Jobcenter betreut – etwas mehr als vor einem Jahr. Insgesamt knapp 373.000 Geflüchtete wurden im November 2018 in der Unterbeschäftigung erfasst.“
Darin nicht enthalten sind jedoch die rund 450.000 Migranten, die laut Bundesregierung „entweder zur Festnahme, zur Abschiebung oder zur Feststellung des Aufenthaltes ausgeschrieben“ sind. Womit werden diese wohl ihren Lebensunterhalt verdienen?
Ein wesentlicher Aspekt bleibt dabei gänzlich unberücksichtigt. Der digitale Wandel und die weitere Automatisierung in der produzierenden Industrie und der damit einhergehende enorme Produktivitätszuwachs werden sich mittelfristig auf Arbeitsmarkt, Sozialsysteme und Gesellschaft gewaltig auswirken. Insbesondere der Niedriglohnsektor wird davon verstärkt betroffen sein.
Rund 20 Millionen Arbeitsplätze dürften zukünftig in Deutschland wegrationalisiert werden. Trotz dieser gewaltigen Automatisierungspotentiale wirbt das BAMF weiterhin unbeirrt unter dem Titel Arbeiten in Deutschland für den Zuzug von Migranten. Der vom BAMF mit gesponserte Ratgeber namens Handbook Germany gibt den Neuankömmlingen in sieben Sprachen wertvolle Tipps zum Leben in Deutschland.
Die Automatisierung wird zwar die demografischen Probleme der Deutschen durch einen stark sinkenden Arbeitskräftebedarf ausgleichen. Andererseits wird durch die anhaltend hohe Zuwanderung von Geringqualifizierten in die sozialen Sicherungssysteme ein Kollaps derselben nicht mehr aufzuhalten sein.
Die gesellschaftlichen Auswirkungen des historisch einzigartigen Experiments sind jetzt schon verheerend, wie die vielen „Verwerfungen“ zeigen. Der globale Migrationspakt soll nun auch noch neue Perspektiven für legale Einwanderung eröffnen. Das „Fachkräftezuwanderungsgesetz“ dient dabei als flankierende Maßnahme. Bereits Mitte Juni 2017 hat die Kanzlerin öffentlich bekannt, was sie vor hat: „Aus Illegalität Legalität machen“.
Die Deutschen selbst haben es in der Hand, das große Experiment noch zu verhindern.
4.01.2019
Autor: Dieter Krieger